Ein hundertjähriger Geburtstag – Irving Penn im Grand Palais
Paris – Natürlich entspringt so eine Reise nach Paris der Romantik und der Sehnsucht. Sie ist Belohnung und Basis für Neues, das entstehen will. In diesem Fall hatte mich meine Frau zu meinem runden Geburtstag mit einer Reise in die Metropole der Mode und der Photographie überrascht. Als freiberuflicher Kreativer kann allerdings ich nicht einfach Urlaub machen. Ich sauge alle Eindrücke auf. Zumal ich Paris vor über zwanzige Jahren sehr ausgiebig zu Fuß erkundet hatte. Die Überraschung: Zur Reisezeit ist eine Ausstellung über Irving Penn zu sehen!
Ich war also gespannt, wie viel ich von dem Paris vor zwanzig Jahren noch wieder erkennen würde. Auf der einen Seite die ständige Präsenz möglicher Anschläge. Auf der anderen Seite eine ganze Generation junger Menschen, die Paris weiterentwickelt haben. Die Anreise im TGV von Strabourg aus braucht übrigens läppische 100 Minuten… Meine Frau und ich fuhren also mit unseren kleinen Koffern vom Gare de l’Est in Richtung Grand Palais. Dort wartete die übrigens wunderbar gestaltete Irving Penn-Ausstellung. Der Zugang mit Koffern ist leider nicht möglich, wurde uns geheißen… Gut, hätten wir uns eigentlich denken können. Kurz gesagt: Wir entschieden uns, die Koffer in der Unterkunft zu parken und erst mal einen Kaffee zu genießen.
13€ Eintritt, eine kostenlose Garderobe mit überaus freundlichem Personal, Securitycheck am Eingang inbegriffen. Die Ausstellung begrüßt den Besucher mit einem plakativen Namenszug des Jubilars Penn. Man kann spüren, was einen erwartet: Arbeiten eines des plakativst gestaltenden Photographen des 20. Jahrhunderts.
Ein warmes Dunkel empfängt den Besucher der Ausstellung, die Bilder auf mittel- bis dunkelgrauen Wänden, punktuell beleuchtet, oftmals in der Mitte der Säle eine Vitrine mit Magazinen, Büchern des jeweiligen Themas. Die Prints sind gekennzeichnet – zu Penns Lebzeiten erstellte Print oder nachträglich, nach seinem Tod am 7. Oktober 2009 erstellte Abzüge. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet obwohl ich die meisten Arbeiten Penns kenne.
Schon in meiner Ausbildung faszinierten mich seine Bilder. Sie erschienen so selbstverständlich und klar gestaltet, strahlten eine unaufdringliche Eleganz aus und wurden Ikonen des Genre weil Penn sie fotografiert hatte. Seine Portraits, die Arbeiten für die Vogue, seine Stills, sogar seine Akte und die gefundenen Objekte erschienen mir immer so als könnte man sie nicht anders fotografiert haben. Je mehr Säle und Arbeiten ich sehe, desto mehr habe ich den Eindruck, dass Penn die Photographie und die sogar zeitgenössische Bildauffassung viel stärker geprägt hat, als mir je in den Sinn gekommen ist. Seine Portraits aus all den studiofernen Ecken dieser Welt sind Inszenierungen, die den Menschen ihre Würde lassen. Sie erreichen eine unglaubliche Präsenz, die mit Licht, Brennweite und Kommunikation auf die Spitze getrieben wird.
Das zeigt auch eine Videoprojektion, die Penn in den späten 70ern des vergangenen Jahrhunderts während den Aufnahmen in Nordafrika zeigt. Ein hohes Zelt sichert ihm das immer gleiche Licht, ruhig und bestimmt führt er die verschleierten Frauen durch die Sitzung. Der legendäre Hintergrund aus bemalter Leinwand für seine Portraits ist in der Ausstellung ebenso zu sehen wie einige seiner Kameras. Statements ehemaliger Mitarbeitern, die seinen Stil beschreiben fehlen, was ich persönlich sehr schade finde. Wenn ich mich recht an die Schilderungen eines lieben Freundes richtig erinnere, der bei Irvin Penn in New York in den späten 90ern assistierte, wurde dort nicht gearbeitet sondern „Photographie zelebriert“. In einem enorm höflichen Umgangston. Ein Segen für jemanden, der weiß, welcher Ton bisweilen in Studios gepflegt wird.
Penns Skizzen und malerischen Arbeiten kannte ich bis dato nicht. Aber auch hier ist sein Talent unverkennbar und ich möchte nicht wissen, was noch in den Archiven der Penn-Stiftung schlummert. Fröhlicherweise gibt es im Museum-Shop eine Vielzahl Penn’scher Druckerzeugnisse zu erstehen. Seinen Skizzen ist ein eigenes Büchlein gewidmet, ebenso wie einigen Kapiteln der photographischen Arbeiten.
Die Coloration sind teilweise mit Gummi-Arabicum überarbeitet, was den Arbeiten einen sehr eigentümlichen Charakter gibt. Ein Effekt, den man sich unbedingt im Original anschauen sollte.
Ich entscheide mich für den Ausstellungskatalog Irving Pen – Le Centenaire, der natürlich in französischer Sprache aufgelegt wurde, gute 5 cm dick ist und ein beträchtliches Gewicht auf die Waage bringt. 59€ sind dafür nicht zuviel Geld – und ich habe mir geschworen, nie wieder ein Irving-Penn-Bildband nicht zu kaufen. Wie damals als ich in der Düsseldorfer Buchhandlung König die 90 Mark teure Passage-Ausgabe liegen lassen musste. Mir hätte den Rest des Monats das übrige Geld nicht mehr zum Essen gelangt. Für gut erhaltene Exemplare zahlt man für dieses längst vergriffene Meisterwerk über 350€.
Meine Frau begeistert sich relativ selten für Fotografie. In dieser Ausstellung widmete sie sich den Bildern nahezu. Vielleicht mag sie Penn einfach deshalb, weil er nicht nur schlanke Modelle inszenierte. Seine wunderbaren Akte von Frauen, die weit jenseits des schlanken Schönheitsideals der vergangenen 60 Jahre lebten, sind einfach unglaublich!
#Paris # IrvingPenn #Vogue